Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen in andere Länder kommen, suchen dort vergebens nach etwas, was es nirgendwo auf der Welt gibt: sofortige und uneingeschränkte Toleranz.
Ist es überhaupt möglich, sich als ein vollwertiges Mitglied der lokalen Gesellschaft in einem fremden Land zu fühlen? Und damit meine ich nicht die gleichen Rechte und Pflichten. Es geht um ein Gefühl. Und gibt es überhaupt einen Ort auf der Welt, eine Ecke, wo Toleranz sofort hundertprozentig ist? Die Antwort auf beide Fragen lautet „Nein“. Nirgendwo auf der Welt gibt es 100-prozentige Toleranz. Wer anders aussieht, wer anders spricht oder andere Gewohnheiten an den Tag legt, wird eben automatisch gefragt, woher er oder sie komme. Und da viele Menschen allgemeine Informationen über andere Länder haben, sind diese eben stereotype Informationen. Ich halte das für ganz normal, auch wenn es gelegentlich nervt.
Die Auflösung dieser Stereotypen ist ein schwieriger und langwieriger Prozess. Und so wird man zwangsläufig immer wieder auf Menschen treffen, die durch falsche/ungenaue Kenntnisse über andere Kulturen, deren Geschichte und Traditionen verwirrt sind. Und das wird jeden, überall auf der Welt, in jedem fremden Land begleiten.
Toleranz: Grenzen und Möglichkeiten
Bei all dem technischen, wissenschaftlichen und psychologischen Fortschritt sind die Menschen nach wie vor sehr eng mit ihren natürlichen Instinkten verbunden. Dazu gehört ein genetischer Reflex, die Wachsamkeit gegenüber allem, was einem ungewohnt oder fremdartig erscheint. Das hat nichts mit Xenophobie zu tun, sondern fremde Dinge, Prozess und eben auch Menschen mahnen uns innerlich zur Vorsicht.
Diese „Vorsicht“ oder auch "Wachsamkeit" entsteht instinktiv. Manchmal verspüren wir beinahe unbemerkt ein gewisses Unbehagen, wenn wir mit einer uns fremden Person kommunizieren. Manchmal sind wir neugierig, manchmal dominiert die "Wachsamkeit", in jedem Fall aber registrieren und reagieren wir auf das "Andere". Und erst mit der Zeit gelingt es, die innere Spannung durch die Annäherung an eine Person mit einer vollkommen unbekannten Kultur oder Lebensweise zu lösen.
Mit anderen Worten: Es ist eher naiv anzunehmen, dass es irgendwo auf der Welt wirklich das Paradies einer sofortigen und totalen Toleranz gibt. Eine Gesellschaft ohne jedes Vorurteil. Wer also seine Lebenswelt verlagert, wird sich immer ein wenig anders fühlen als Einheimische. Und das ist normal, denn so sind wir Menschen eingerichtet. Es ist wichtig, sich dessen bewusst zu sein, sonst verbringt man sein ganzes Leben damit, vergeblich nach etwas zu suchen, das es nicht gibt. Immer wieder und überall müssen wir uns Missverständnissen stellen und geduldig sein, bevor Vertrautheit mit neuen Menschen entsteht.