Das Leben am Königshof in Jerusalem und Samaria I
28.06.2025 Was archäologische Schriften und Funde verraten
Wie lebten und wohnten die Könige Israels und Judas? Wie organisierten sie ihre verhältnismäßig kleinen Reiche? Was wissen wir heute über Alltag und Lebensumstände von Männern und Frauen am Hof? Dank der zahlreichen archäologischen Ausgrabungen in den einstigen Hauptstädten Samaria und Jerusalem können wir ein wenig Licht in diese Welt bringen.
Der König war in den Kleinstaaten des Alten Orients wichtig für die Bevölkerung, die ihn aber auch ernähren musste. Auch in Israel und Juda blickten Menschen auf den Palast und hatten selbstverständlich Erwartungen an den, der hinter den Mauern regierte. Ein immer auch kritischer Blick auf die inneren Abläufe am Hof spricht bis heute aus den Schriften des Alten Testaments – von Propheten und der Bevölkerung. Können wir einen Blick hinter die Kulissen werfen?
Wie der Palast in Jerusalem aussah
Wo einst der Palast des Königreichs von Jerusalem gestanden hat – im Bereich des heutigen Haram esch-Scharif, des einstigen Tempelplatzes –, darf nicht ausgegraben werden. So können wir den Palastbau in Jerusalem, die Residenz der judäischen Könige, nur aufgrund des biblischen Textes in 1.Kön 7,1-12 rekonstruieren. Hier wird zwar der Palast beschrieben, den Salomo gebaut haben soll, doch auch wenn es immer wieder Um- und Anbauten gegeben haben wird, bestand dieser Palast offenbar während der gesamten Königszeit. Nach dem biblischen Text bestand er aus mehreren Einzelteilen:
• dem „Libanonwaldhaus“ (100 x 50 x 30 Ellen = ca. 50 x 25 x 15 m)
• einer Säulenhalle (50 x 30 Ellen)
• der Thronhalle = Gerichtshalle
• dem Wohnpalast des Königs
• dem Palast der „Pharaonentochter, die Salomo geheiratet hatte“ (wohl ein eigenständiges Gebäude).
Allerdings ist der hebräische Text nicht ganz einfach zu übersetzen, da sich hier einige Fachbegriffe finden. Lässt man den Königinnenpalast zunächst einmal unberücksichtigt, so handelt es sich um vier einzelne Bauteile, deren Zusammengehörigkeit unklar ist. Die Vierteilung erinnert jedoch stark an ägyptische Paläste (z. B. den Palast des Merenptah in Memphis. Die nahezu identische Reihenfolge der Räumlichkeiten in Jerusalem und Memphis legt es nahe, dass der Jerusalemer Palast eine Adaption des Grundrisses ägyptischer Königspaläste war. Das Libanonwaldhaus, dem biblischen Text zufolge der größte Raum, entspricht dem Hof, es folgen eine Säulenhalle, der Thronsaal und die Privaträume.
Über das Libanonwaldhaus im Jerusalemer Palast und seine Gestaltung wurde im Lauf der Forschungsgeschichte am meisten nachgedacht. Der Text ist sprachlich höchst kompliziert und wird in den Übersetzungen meist stark abgeändert: „(=Er baute das Libanonwaldhaus … auf vier Reihen von Zedernsäulen, und Querbalken aus Zedernholz waren auf den Säulen, und das Dachstützwerk aus Zedernholz war oben auf den Rippen [Querbalken], die auf den Säulen waren, (insgesamt) 45, 15 pro Reihe, Rahmen in drei Reihen, Lichtöffnung gegenüber Lichtöffnung, dreimal (nebeneinander).“
Demnach gab es vier Säulenreihen; das Dach wurde aber von drei nebeneinanderliegenden Dachkonstruktionen getragen. Im Vergleich mit den ägyptischen Vorbildern, bei denen der Hof offen war, gab es in Jerusalem ein Dach, weil es hier häufiger regnete als in Ägypten. Während in Ägypten Steinsäulen mit Kapitellen in einer Lotos- oder Papyrusgestalt verwendet wurden, nahmen die Architekten in Jerusalem mit der Verwendung von Zedern aus dem Libanon eine klare Anlehnung an die levantinische Welt vor. Wer diesen Raum durchschritt, fühlte sich wie in einem Zedernwald. Das „Libanonwaldhaus“ war offenkundig der Raum des Palastbezirks mit den höchsten Wänden, weshalb die Höhe von 15 m ausdrücklich vermerkt wurde. In Ägypten hatte der Palast eine glatte Außenfront. Daher dürften in Jerusalem mit den 50 Ellen der Säulenhalle die Breite und nicht die Tiefe gemeint sein. Für den Thronraum und die Privatgemächer sind keine Größenangaben mehr genannt, doch dürfte die Breite weiterhin 50 Ellen gewesen sein. Die Privatgemächer waren in Ägypten relativ klein, und dies dürfte auch auf Jerusalem zutreffen. Ziel des gesamten Palastbaus, der über 100 m lang und 25 m breit war, war die Machtpräsentation. Wie wir uns den Thron der Könige vorstellen können, die in Jerusalem bis 586 vC residierten, dafür gibt es leider keine wirklich überzeugenden archäologischen Parallelen.
Und in Samaria?
Über den Palast in Samaria sind wir durch archäologische Quellen etwas besser informiert. Die dortige Palastanlage wurde von König Omri und seinen Nachfolgern im 9. und 8. Jh. vC mehrfach umgebaut, wie die Ausgrabungen deutlich zeigen. Die eisenzeitliche Palastanlage ist von einer großen Kasemattenmauer umgeben, in deren Bereich mehrere Bauten gefunden wurden. Im Westen gab es Schreiberkammern für die königliche Verwaltung; hier wurden einige beschriftete Tonscherben gefunden. Der eigentliche Palast befand sich wohl unmittelbar östlich davon. Es war in der damaligen Zeit typisch, derartige Paläste mit einem ebenerdigen Stockwerk zu versehen, das vermutlich als Lagerraum genutzt wurde. Die eigentlichen, nicht mehr erhaltenen Wohn- und Repräsentationsräume lagen dagegen im 1. Stock. So bekam der Palast ein massives Aussehen und war höher. Über dem zentralen großen quadratischen Raum dürfte daher im 1. Stockwerk der Thronraum gelegen haben. Die anderen Räume seitlich davon wurden wohl für Wohnzwecke genutzt. Möglicherweise war der Thronraum aber auch im Bereich eines ebenfalls mit einer Kasemattenmauer umgebenen Gebäudekomplexes im Inneren des Hofes. Dort fand man eine Vielzahl geschnitzter phönizischer Elfenbeine, die ein interessantes Beispiel für die Ausgestaltung von Prunk- und Thronräumen dieser Epoche sind. Ganz ähnliche Elfenbeine wurden z. B. auch in assyrischen Palästen gefunden. Der Prophet Amos wetterte gegen derartigen Luxus (Amos 3,15; 6,4). Wenn Amos von Elfenbeinhäusern spricht, so waren sie nicht aus Elfenbein gebaut, sondern im Inneren mit Elfenbeinschnitzereien an den Wänden oder an Möbeln verziert.
Eine Sommerresidenz in Jesreel
Die israelitischen Könige besaßen zudem eine Art Sommerresidenz in Jesreel. Auch hier hat man Ausgrabungen durchgeführt, aber bislang nur die Umfassungsmauern gefunden. Sicherlich gab es auch Wohnbauten, doch bestand der größte Teil der Palastanlage wohl aus einer offenen Hofanlage für Streitwagen und die zugehörigen Pferde. Die Jesreelebene ist ideal für kriegerische Auseinandersetzungen mit Streitwagen.
Die Versorgung des Königshauses
In 1.Sam 8,10-18 wird davon berichtet, dass das Königshaus von den Bewohnern des Landes mitversorgt werden musste, die daher entsprechende Abgaben zu zahlen hatten. Wie dies konkret aussah, vermitteln uns zumindest für eine kurze Epoche in der 1. Hälfte des 8. Jh. vC (wohl Zeit Jerobeams II., 787–747 vC) 102 Inschriftenfunde aus Samaria. Diese auf den ersten Blick wenig aussagekräftigen Verwaltungstexte, eine Art Lieferscheine, haben jeweils ein gleiches Formular. Vermutlich dienten die dokumentierten Lebensmittel (Wein oder Öl) der Versorgung des Königshauses. Aus den Herkunftsangaben ist zu schließen, dass die Lieferanten alle aus einem Umkreis von etwa 20 km um den Palast stammten.
- 2. Teil folgt nächste Woche -
[Prof. Dr. Wolfgang Zwickel ist Professor für Altes Testament und Biblische Archäologie an der Universität Mainz]