Die Archäologie der Königszeit II
18.06.2025 er neue Blick auf die Geschichte der Staaten Israel und Juda. Teil 2
Die Königreiche Israel und Juda im 8. Jh. vC: starke Bautätigkeiten im Süden wie im Norden
Der Aufstieg Judas und Jerusalems zu einem eigenständigen Königreich im Süden verlief in drei Phasen. Er begann im 9. Jh. vC durch den Einfluss der mächtigen Könige Israels, setzte sich im 8. Jh. vC durch die Auswirkungen der neuassyrischen Westexpansion fort und erreichte im 7. Jh. vC unter den Königen Hiskija und Manasse seinen Höhepunkt. Bereits für die Entwicklung des nördlichen Königreichs Israel gilt, dass diese ab der zweiten Hälfte des 9. Jh. vC zunehmend durch die neuassyrischen Herrscher beeinflusst wurde. Israel war formal ab dem Jahr 841 vC ein Vasall der Neuassyrer (ab jetzt zahlt Jehu Tribut), die mal stärker und mal weniger stark in der südlichen Levante aktiv waren. Jerobeam II. (787–747 vC) nutzte eine Schwächephase der Assyrer unter den Nachfolgern Salmanassars’ IV. (782–773 vC) zu einem Ausbau seines Herrschaftsgebietes. Das biblische Dan (Tell el-Qadi) wurde Teil des Königreichs Israel, die Städte Kinneret (Tell el-Oreme) am See Gennesaret und Hazor nördlich davon zu Festungen ausgebaut und das bedeutende Handelszentrum Megiddo (Stratum IVB) um administrative und militärische Gebäude erweitert. Etwa zeitgleich wurden im Königreich Juda Städte und Festungsanlagen entlang der Handelswege ausgebaut. Im südlichen Negev waren dies Arad, Tell es-Seba sowie weiter südlich Kadesch-Barnea. Der Ausbau Judas kann beispielhaft an Lachisch (Tell ed-Duwer) verdeutlicht werden: Die neben Jerusalem bedeutendste Stadt Judas wurde im 8. Jh. vC ähnlich wie Megiddo zu einem militärischen Stützpunkt und Verwaltungszentrum erweitert.
Die Maßnahmen in Juda stehen im Zusammenhang mit der Loslösung vom Einfluss des Königreichs Israel. Zahlreiche Siegel und Bullen belegen für das 8. Jh. vC die Existenz einer königlichen Verwaltung. Der steigenden Bedeutung Jerusalems entsprechend, wurde das Siedlungsgebiet der Stadt nach Westen hin erweitert. Weitere Siedlungen entstanden an den Hängen der Davidstadt. Wie schon zuvor, stand die Entwicklung der Königreiche Israel und Juda auch im 8. Jh. vC im Schatten neuassyrischer Politik. Mit Tiglatpileser III. (745–727 vC) setzte ein neuer Schub der neuassyrischen Westexpansion ein, der zur Eroberung Samarias im Jahr 722/720 vC führte. In Bezug auf den Handel änderte sich jedoch nicht viel. Die Neuassyrer waren primär am Fernhandel und der Absicherung der Handelswege interessiert. Im letzten Drittel des 8. Jh. vC wurden Samaria, Dan und die vormalige Phönizierstadt Dor zu neuassyrischen Verwaltungszentren ausgebaut. In Megiddo, Kinneret und Hazor entstanden am Beginn des 7. Jh. vC Palastanlagen im neuassyrischen Stil.
Das Königreich Juda von 722/720 bis 587/586 vC: kulturelle Entwicklung aus eigener Kraft
Die kulturelle Entwicklung Judas erreichte ihren Höhepunkt, als das Königreich Israel nicht mehr existierte. Zahlreiche Stempelsiegel und Tonbullen dokumentieren einen Anstieg der Schriftlichkeit in Juda, verbunden mit einer eigenen Wirtschaftsverwaltung. Die Siegelabdrücke wurden mit einer zwei- oder vierflügeligen Sonnenscheibe und der Inschrift lmlk („dem König gehörend“) versehen und auf Transport- oder Vorratskrügen angebracht. Mittlerweile sind mehr als 1200 Stücke aus mehr als fünfzig Fundorten bekannt.
Für die Archäologie Judas ist der Ort Ramat Rahel wichtig, der nur 4,5 km südlich von Jerusalem liegt. Eine israelisch-deutsche Ausgrabung unter Oded Lipschits und Manfred Oeming konnte nachweisen, dass Ramat Rahel im späten 8. oder frühen 7. Jh. vC zu einem großen Verwaltungszentrum ausgebaut wurde. Der Ort lag strategisch günstig an den beiden wichtigsten Straßen, die Jersualem mit dem Umland verbanden. Ramat Rahel war ein Umschlagplatz für landwirtschaftliche Produkte und wurde zum bedeutendsten administrativen Zentrum im Kernland des Königreiches Juda. Die im 7. Jh. vC errichtete Palastanlage hatte allein eine Grundfläche von 120 x 90 m und war damit mehr als halb so groß wie die Davidstadt. Bedenkt man, dass Ramat Rahel bis über die Perserzeit hinaus bestand, so zeigt sich bereits für die Zeit Hiskijas bzw. Manasses jenes Nebeneinander, das die nächsten gut 350 Jahre bestimmen sollte: auf der einen Seite Jerusalem als der Ort der JHWH-Verehrung mit einer Schreiberschule am Tempel – und auf der anderen Seite Ramat Rahel als zunächst von den Neuassyrern und dann von den Babyloniern und Persern kontrolliertes Verwaltungszentrum. Vielleicht führte diese „Aufgabenverteilung“ dazu, dass ab der Zeit Hiskijas (725–696 vC) die Bedeutung Jerusalems als religiöses Zentrum wuchs. In der Festung Arad, etwa 56 km südwestlich von Jerusalem, wurde ein altes JHWH-Heiligtum aufgegeben. Gleiches geschah in einem Tempel in Tel Moza, der nur 7 km nordwestlich von Jerusalem lag.
Während die ältere Forschung den Bau einer breiten Mauer („broad wall“) sowie den Ausbau der Wasserversorgung Jerusalems samt territorialer Erweiterung der Stadt mit Hiskija verbinden wollte, wird man diese heutzutage eher in die Regierungszeit Manasses (696–642 vC) datieren. Auch wenn das Alte Testament König Manasse als Negativfolie für König Joschija präsentiert (2.Kön 21,1-18), verweist allein schon die Länge der Regierungszeit Manasses – 55 Jahre – auf seine Bedeutung. Um dem Bevölkerungszuwachs zu begegnen – aus dem Norden waren nach der assyrischen Eroberung auch zahlreiche Menschen in den Süden geflohen –, wurde in seiner Regierungszeit der Bereich zwischen dem Südosthügel (der Davidstadt) und dem Tempelberg, der sogenannte Ofel, ausgebaut (2.Chr 33,14).
Parallel zur Entwicklung in Jerusalem kam es im 7. Jh. vC zu einem wirtschaftlichen Aufschwung Judas. Das Gebirge wurde stärker besiedelt und Städte wie Gibeon und Mizpa wurden ausgebaut. Die Könige Judas konzentrierten sich auf den Süden und Osten ihres Territoriums, was sich an Baumaßnahmen in einer Reihe von Festungen zeigt. Ferner wurden die Randzonen am Westufer des Toten Meeres und das Beerscheba-Becken erschlossen. Juda wurde so zu einem wichtigen Getreidelieferanten des neuassyrischen Wirtschaftsraums. Wie schon beim Königreich Israel im 9. Jh. vC waren es auch für die Könige Judas die landwirtschaftlichen Produkte, die den Anschluss an den internationalen Fernhandel ermöglichten – nur dass nun nicht mehr die Phönizier, sondern die Neuassyrer den Handel kontrollierten. Die politischen Ereignisse vom Ende des 7. Jh. vC bis zu den beiden Eroberungen Jerusalems im Jahr 598/597 und 587/586 vC lassen sich archäologisch nur schwer fassen. Zerstörungsspuren im Zusammenhang mit der Eroberung Jerusalems unter den Neubabyloniern sind am Fuß der Davidstadt belegt (Haus des Ahiel, Haus der Bullen). Zudem ist archäologisch und literarisch nachweisbar, dass einzelne Städte im Königreich Juda, wie etwa Lachisch oder Aseka (Tell Zakariye), zerstört wurden (Jer 34,7). Der Norden mit der Region Benjamin und der Stadt Mizpa war hingegen nicht betroffen. Insofern erstaunt nicht, dass der vom neubabylonischen König Nebukadnezzar eingesetzte Verwaltungsbeamte Gedalja in Mizpa (Tell en-Nasbe) residierte.
Fazit
Insgesamt belegt die Archäologie, was die alttestamentliche Forschung schon länger vermutete: Entgegen der biblischen Darstellung, die das Königreich Israel in den Königsbüchern durchweg mit negativem Vorzeichen und in den Chronikbüchern überhaupt nicht erwähnt, waren es die Könige von Samaria, die im 9. Jh. vC ein bedeutendes Königreich schufen, das auch das Königtum des Hauses Davids in Jerusalem kontrollierte. Im 8. Jh. vC gewannen die Könige Judas zunehmend an Eigenständigkeit und schufen so ein Königreich, das nach dem Ende des Reiches Israel unter den Jerusalemer Königen Hiskija und Manasse zu wirtschaftlicher und internationaler Bedeutung anwuchs.
[Prof. Dr. Dr. Bernd U. Schipper ist Professor für Altes Testament mit dem Schwerpunkt Geschichte Israels in der altorientalischen Welt an der umboldt-Universität zu Berlin]