Die Bücher der Bibel - Teil 3
16.062024 Das Alte Testament - Dodekapropheton/Die kleinen Propheten
Seit dem Kirchenvater Augustin (De Civitate Dei) werden die 12 Bücher Hosea bis Maleachi wegen ihres Umfangs als „kleine Propheten“ bezeichnet; eine Aussage über ihre Bedeutung ist damit nicht verbunden. Die Anordnung der einzelnen Bücher variiert. Das Ordnungsprinzip in der Anordnung des hebräischen Kanons ist nicht ganz klar, möglicherweise war eine chronologische Abfolge angestrebt (so der babylonische Talmud). Die Bücher wurden im Altertum als ein Buch von der Größe eines der drei großen Propheten aufgefasst, aus Sir 49,10 stammt der griechische Name δώδεκα προφητῶν, dōdeka prophētōn: 12 Propheten. Daher leitet sich die Bezeichnung „Zwölfprophetenbuch“ ab. Diese Schriftensammlung ist in mehreren Stufen gewachsen, beginnend mit einem Kernbestand von Hosea- und Amostexten. Sukzessive wurden dann die anderen Bücher zugefügt und zugleich die bisher gesammelten Texte kommentiert und erweitert. Mit Jona, Sacharja und Maleachi fand das Buch dann im 4./3. Jh. v. Chr. seine heutige Gestalt.
Hosea ben Beeri [הוֹשֵׁעַ בֶּן־בְּאֵרִי], “JHWH hat gerettet”
Das Buch des Propheten Hosea ist bibelkundlich besonders schwer zu erfassen, da es eine Sammlung von Einzelsprüchen ist, deren Gliederungsprinzipien kaum nachvollziehbar sind. Wichtig ist daher das Wissen um folgende Problemfelder:
Wirksamkeit
Der Prophet Hosea stammte – als einziger der Schriftpropheten – aus dem Nordreich Israel, wo er von der Zeit Jerobeams II. bis kurz vor den Untergang Samarias (ca. 750-725) wirkte. Seine Verkündigung ist nach dem Fall Israels nach Juda gelangt und wurde dort geordnet und aktualisierend erweitert. So stehen Aussagen über Israel und Juda nebeneinander (vgl. 4,15;5,5;12,1). Bereits die Überschrift nennt als Hoseas Wirkungszeit vor allem die Regierungszeit judäischer Könige. Über Hosea selbst ist außer dem Namen des Vaters (Beëri) nichts bekannt.
Inhalt
In der Wirkungsgeschichte des Buches war immer das Ehedrama des Propheten von großer Bedeutung („Hochzeit mit der Hure“), die Ehe Hoseas gilt wie die Benennung der Kinder als Zeichen. Der Hurerei jener Frau Gomer entspricht, so die Botschaft, die Hurerei Israels, der Entfernung von Gott. Damit ist das wichtigste Thema des Buches angesprochen: Hosea kritisiert bestimmte kultische Praktiken Israels (weniger soziale oder politische Sünden), in denen er letztendlich einen Abfall von JHWH, eine Anbetung Ba'als* sieht. Die überlieferten Sprüche zeigen aber auch die Überlegung, wie Gott eine Umkehr für sein Volk möglich machen wird. In der gegenwärtigen Forschung ist strittig, ob das hier gezeichnete Bild des Propheten der historischen Realität entspricht und welche Bestandteile des Buches erst aus nachexilischer Zeit stammen.
Aufbau
Sinnvoll abtrennen lässt sich nur der Komplex der Kapitel 1-3 von dem Abschnitt 4-14. Im ersten Teil geht es um das Familiendrama Hoseas, er beinhaltet Berichte über Hoseas Hochzeit in der dritten (1,2-9) und ersten Person (Kap. 3). Kap. 2 sammelt eine (spätere) Heilsverheißung (V. 1-3), eine Beschreibung von Israels Abfall (V. 4-15) und die Perspektive eines neuen Heils von JHWH her (V. 16-25). Wichtig ist in den beiden letzten Teilen, dass Hosea vor allem geschichtlich argumentiert. Er verweist zurück auf Gottes frühere Heilstaten, die Israel vergessen hat und sagt an, dass Israel wieder in die Wüste zurück muss („wie damals, da sie [die Frau Israel] aus dem Lande Ägypten hinauszog“), wo es einen neuen Anfang geben werde (2,16ff.).
In 4-14 gibt es keine erzählerischen Teile und kaum biographische Details (aber 9,7: Der Prophet gilt als meschugge, verrückt). Gelegentlich wird überlegt, in 12-14 einen eigenen Teil zu sehen, weil Kap. 11 mit einer Heilsansage endet und Kap. 12 Motive aus 4,1-3 aufnimmt. Das Kapitel Hos 14, ein Ruf zur Umkehr mit einer weisheitlichen Notiz als Schlusswort 14,10, liest sich wie ein planvoll komponierter Abschluss des gesamten Buches.
Wichtige Einzeltexte
Wichtige Einzeltexte sind Kap. 4 über die kultischen Verfehlungen Israels und die Schuld der Priester daran (interessant wegen der darin geschilderten kultischen Praktiken). 5,1-9,9 zielen eher auf die politische Sphäre, sie äußern Königskritik, gehen gegen die unzuverlässigen Zustände in Israel an: „Sie machen Könige, aber ohne mich“ (8,4) und sagen den Untergang Israels voraus. 8,1-3 ist wichtig (und in der Datierung strittig) wegen der frühen Erwähnung des Bundesgedankens.
Geschichtsrückblicke
9,10-14,9 sind wegen der häufigen Geschichtsrückblicke theologisch interessant. Vorausgesetzt ist hier die Vorstellung der Erwählung Israels durch Gott – „Wie Trauben in der Wüste habe ich Israel einst gefunden“ (9,10) –, welcher aber auf der Seite Israels nicht die Bundestreue, sondern der Abfall von diesem lebendigen Gott gegenübersteht: „je mehr ich rief, desto mehr gingen sie von mir weg“ (11,2). Mittelpunkt ist Kapitel 11, in dem ein Selbstgespräch Gottes dargestellt wird mit dem Ergebnis: „Ich will meinen glühenden Zorn nicht vollstrecken ...“ (11,9). Hos 12 ist wichtig, weil hier die Erzväter außerhalb der Genesis-Überlieferung begegnen, mit einer deutlich negativeren Wertung Jakobs als in der Vätergeschichte.
Kultkritik
Für Hosea ist noch festzuhalten, dass er in besonderer Weise die Könige kritisiert, sie also auch für die kultischen Zustände im Lande mitverantwortlich macht. Dies geschieht wohl auch wegen des königlichen Kultes in den Stierheiligtümern in Dan und Bet-El (Rede vom Kalb in Samaria in 8,5;10,5;13,2. Hosea hat damit einen Kult kritisiert, der seinen Mitmenschen als regelrechter JHWH-Kult erschien, in dem der Prophet aber eine Ba'alisierung oder Verzerrung des Gottes sah, der allein Israel in der Wüste erwählt und errettet hat.
* Im Altertum eine Bezeichnung für verschiedene Gottheiten im westsemitischen (syrischen und levantinischen) Raum und bedeutet: Herr, Meister, Besitzer, Ehemann, König oder Gott. Baal war ein Titel, der für jeden Gott verwendet werden konnte. Als Baal wird gewöhnlich der oberste Gott des örtlichen Pantheons bezeichnet. Er ist meist ein Berg-, Wetter- und Fruchtbarkeitsgott. Den tiefsten Einblick in die Götterwelt Kanaans geben die praktisch komplett aufgefundenen Keilschriftarchive der um 1200 v. Chr. zerstörten Stadt Ugarit, Hauptstadt des gleichnamigen bronzezeitlichen Stadtstaates. Der längste Mythenzyklus aus Ugarit beschäftigt sich mit Baal. Baal war ein Wettergott, der Wind, Wolken und Regen beherrscht. Indem er die Dürre beendet, ist er Spender der Fruchtbarkeit.
Joel [יוֹאֵל], “JHWH ist Gott”
Datierung
Auch von dem Propheten Joel („JHWH ist Gott“) ist außer dem Namen nichts bekannt. Die Datierung des Buches war sehr umstritten, seit alters sah man in Joël einen vorexilischen Kultpropheten (wohl wegen der Einordnung zwischen Hosea und Amos). Doch sprachliche und inhaltliche Gründe haben dazu geführt, das Buch in das frühe 4. Jh. v. Chr. einzuordnen.
Inhalt
Der Inhalt des Buches ist leicht wiederzugeben: Anlässlich einer Dürre und Heuschreckenplage wird zu einer Volksklage aufgerufen (1,1-2,17). Die Heuschreckenplage gilt dabei nach Am 7,1-3 als Zeichen des kommenden Tages JHWHs. Darauf erfolgt JHWHs Verheißung, die Not zu wenden (2,18-27). Kapitel 3-4 weissagen dann die Ausgießung des Geistes Gottes über alles Fleisch; der Tag JHWHs wird kommen und das Weltgericht bringen. Das Gericht wird Heil über diejenigen bringen, die zu Gott umkehren, Unheil dagegen vor allem über die Völker. Die Feinde werden für immer besiegt, Juda und Jerusalem dagegen für immer besiedelt werden. In diesem Umfeld wird auch die Umkehrung des bekannten Satzes aus Mi 4,3 („Schwerter zu Pflugscharen“) formuliert, 4,10: „Schmiedet eure Pflugscharen zu Schwertern und eure Rebmesser zu Spießen!“ An jenem Tage wird es zum Kampf der Völker kommen, für den sich Israel wappnen muss.
Sprache und Vorstellungswelt des Buches Joël stehen beispielsweise den Kapiteln Jes 24-27 nahe und weisen damit schon zur Apokalyptik hinüber. Zur Apokalyptik passt auch, dass Bibelstellen (so Ps 42,4.11 in 2,17) auf die Zukunft hin ausgelegt werden.
Amos [עָמוֹס], „der [von JHWH] Getragene“
Wirksamkeit
Amos ist der älteste Prophet, von dem ein eigenes Buch erhalten blieb. Er wirkte um 750 im Nordreich Israel (kurz vor Hosea), obwohl er offenbar aus Tekoa im Südreich Juda stammte. Amos war kein Prophet, sondern er wird als Schafzüchter vorgestellt (1,1;7,14). Er fühlte sich von JHWH in den Norden gesandt, wo er zur Zeit der wirtschaftlichen Blüte unter Jerobeam II. gegen die ausbeuterischen Methoden der Oberschicht das Gericht über dieses Land prophezeien sollte. Die Frage, ob Amos auch eine Heilsperspektive für Israel hatte (5,4-7.14f.;9,11ff.), ist außerordentlich umstritten. Sicher ist, dass auch er die besondere Erwählung Israels durch JHWH formuliert hat, aus der dann auch eine besondere Verantwortung Israels resultier: „Euch allein habe ich erwählt von allen Geschlechtern der Erde, darum suche ich an euch heim all eure Schuld.“ (3,2)
Übersicht über das Amosbuch
Sprüche (Zahlensprüche) gegen Israels Nachbarn, auf Israel zielend (1,3-2,16)
Sprüche gegen Israel (3-6)
Visionen und Berichte (7,1-9,6)
Heilsausblick (9,7-15)
Völkersprüche
Die Völkersprüche (1-2) lassen sich wohl in echte und unechte (Tyrus, Edom und Juda) unterscheiden. Dies weist einmal mehr darauf hin, dass die Botschaft der Propheten später aktualisierend erweitert wurde. Die gegen Israel geäußerte Anklage läutet das Thema des Amos ein, die Kritik an den sozialen Zuständen: Die Unschuldigen werden ausgebeutet, kommen nicht zu dem ihnen zustehenden Recht, weil dies die Oberschicht verhindert. Erneut (2,10) wird auf den Exodus aus Ägypten als Grunddatum der Geschichte Gottes mit Israel verwiesen.
Gerichtsansagen
In 3-6 fallen zunächst die textinternen Gliederungsmerkmale auf: „Höret“ in 3,1;4,1;5,1. Die Kapitel sammeln Gerichtsansagen gegen Israel, die besonders mit Kritik an den sozialen Zuständen, aber auch mit mangelhaftem Kultus begründet werden (4,1-5.3,3-8) spiegeln das Ergriffensein des Amos durch Gottes Stimme, die ihn zum Prophetenamt treibt: „Der Löwe brüllt, wer fürchtet sich nicht? Mein Herr JHWH redet, wer weissagt nicht?“
Kapitel 5 nimmt die Vorstellung vom Tag JHWHs auf (Vers 18) und wendet sie gegen Israel, indem die Leichenklage angestimmt wird: Jener Tag wird kein Heil, sondern nur Verderben bringen. In 5,8f. findet sich eine seltene schöpfungstheologische Begründung, die mit den anderen Doxologien (Lobreden) in 4,13 und 9,5f. zu vergleichen ist.
Visionen
In 7-9 finden sich fünf Visionen, die ersten vier sind eingeleitet mit „Solches ließ mein Herr JHWH mich schauen“ (7,1;7,4;7,7;8,1). Visionär sieht Amos zunächst eine Heuschreckenplage und eine Feuersbrunst, die Gott aber nach einer Fürbitte abwendet. Darauf erscheint ihm der Herr auf einer Mauer aus Zinn (nicht: Senkblei!), und in der vierten Vision sieht Amos einen Korb reifen Obstes. Nun ist keine Fürbitte mehr möglich, das Volk ist reif für das Gericht. In der fünften Vision 9,1-4 (Echtheit umstritten) sieht Amos Gott selbst über dem Altar, der die Unwiderruflichkeit des Unheils bestätigt: „Ich richte mein Auge auf sie zum Bösen und nicht zum Guten“. (9,4)
Amos und Amazja
7,10-17 berichten von der Begegnung zwischen Amos und Amazja („JHWH ist stark“), dem Priester des königlichen Heiligtums von Bet-El. Der Priester fordert Amos auf, nach Juda zu flüchten und dort (Unheil) zu prophezeien. Amos antwortet mit dem Hinweis auf seine göttliche Sendung und wiederholt die Gerichtsansage, welche die Ankündigung der Deportation der Israeliten einschließt.
Heilsansagen
Das Buch schließt mit den Heilsansagen 9,7-15; wichtig ist vor allem 9,11: „An jenem Tage will ich die zerfallene Hütte Davids wieder aufrichten“. Diese Stücke sind daher so strittig, weil man Amos als reinen Gerichtspropheten ansieht, dem man dann folglich keine Heilsperspektive für das Volk Israel mehr zutraut. Jedoch stellt sich die Frage, ob das wirklich sachgemäß ist. Kann der Prophet mit seinem Auftreten nicht auch die Hoffnung auf Umkehr, also auf die Wirksamkeit seiner Botschaft verbunden haben?
Obadja [עֹבַדְיָה], “Diener/Sklave JHWHs”
Das kürzeste Prophetenbuch des AT umfasst nur 21 Verse, die einem Propheten Obadja zugesprochen werden und die sich teilweise auch in Jer 49 wiederfinden. Daher hat man als mögliche Entstehungszeit die Zeit um 587/6 vermutet. Diskutiert wird aber auch die Spätdatierung ins 4./3. Jh., weil man in den Sprüchen über die Völker die für diese Zeit typische Stilisierung erkennen möchte. Da das Buch nicht einheitlich ist, sind möglicherweise alte Sprüche nachträglich erweitert worden. Jegliche Zuordnung ist aber unbeweisbar, zumal auch die Frage nach der gegenseitigen Abhängigkeit vom Buch Jeremia nicht geklärt ist. Inhaltlich handelt es sich bei Obadja um Sprüche gegen Edom (1-15a), das für seine schlechte Behandlung Jerusalems bestraft wird. Darauf erwartet Obadja den Tag JHWHs, der hier in der „klassischen“ Erwartung formuliert ist: als Heil für Israel und Unheil/Gericht für die Völkerwelt (V.15b-21).
Jona [יוֹנָה], “Taube”
Entstehung
Das Jonabüchlein ist – anders als die anderen Prophetenbücher – keine Sammlung von Einzelsprüchen, sondern eine Lehrerzählung in Form einer Novelle, die sich um die einzige Prophezeiung des Buches rankt, das Wort gegen Ninive in 3,4: „Noch vierzig Tage und Ninive ist zerstört“. Der Name Jona wurde wohl von dem in 2.Kön 14,25 erwähnten Propheten entlehnt, doch entstammt das Buch sicher einer deutlich späteren Zeit. Sprachliche (Verwendung aramäischer Sprachelemente) und inhaltliche Gründe weisen auf das 4.oder 3. Jh. v. Chr. Das ganze Buch wird am Versöhnungstag als Prophetenlesung [הפטרה haftara] in der Synagoge vorgetragen. In der christlichen Tradition gelten die drei Tage Jonas im Bauch des Fisches (2,1) als Präfiguration der Zeit Christi im Tod (1.Kor 15,4).
Gliederung
Durch sprachliche Gliederungssignale (1,1-3/3,1-3) lässt sich das Buch in zwei Hauptteile gliedern. In beiden steht das Bekenntnis eines „Heiden“ zum Gott Jonas im Zentrum, dessen Namen sie aber nicht kennen. In 1,6 ist es der Kapitän des Schiffes, in 3,7-9 der König Ninives. Charakteristisch ist in beiden Fällen, dass sie Rettung von Jonas Gott erwarten; in 3,9 wird Gottes Reue trotz des angedrohten Gerichts erhofft.
Übersicht über das Jonabuch
Jonas Sendung und Flucht (1,1-3)
Sturm, Jona wird ins Meer geworfen und gerettet (1,4-2,1)
Dankpsalm Jonas (2,2-11)
Zweite Sendung Jonas, Umkehr der Leute von Ninive (3,1-10)
Zorn Jonas über Gott, Rizinusszene (4,1-11)
Theologie
Dem Buch geht es also darum, dass das als unbedingt angesagte Unheil doch noch abgewendet werden kann; die Begnadigung Ninives ist gerechtfertigt (4,1-3.10f.). Gott ist in seinem Handeln souverän, größer, als Jona es begreifen kann. Allerdings ist die Botschaft des Buches umstritten. Manche christlichen Exegeten haben in ihm eine Anklage gegen jüdischen Partikularismus sehen wollen, der von Gott selbst überwunden wird. Andere sehen das Thema der Umkehr als Mitte des Buches an. Im Judentum wird auch der Aspekt der Kritik an selbstgerechten Unheilspropheten und das Problem von wahrer und falscher Prophetie diskutiert. Jedenfalls sind in der Schrift implizit verschiedene Deutemöglichkeiten angelegt, die in der späteren Wirkungsgeschichte entfaltet wurden: Dass es auch außerhalb Israels gültigen Glauben an JHWH gibt, dass ein Einzelner aus dem Tod gerettet werden kann, dass man sich vor Gottes Ratschluss nicht verbergen kann. Über allem steht die Aussage von der überragenden Barmherzigkeit Gottes mit allen Menschen, die sich an die Gnadenformel Ex 34,6 anlehnt: „ein gnädiger und barmherziger Gott, langmütig und reich an Huld“ (4,2).
Micha [מִיכָה], “Wer ist wie JHWH?”
Wirksamkeit
Der Prophet Micha aus Moreschet-Gad wirkte zeitgleich mit Jesaja in Jerusalem (ca. 740-705). Er wird allerdings weder im Königs- noch im Jesajabuch erwähnt, dafür zitiert Jer 26,18 das Wort Michas gegen den Tempel, 3,12. Von Micha sind keine weiteren biographischen Details bekannt.
Gliederung
Das Buch lässt sich nach der obigen Gliederung als dreifacher Rhythmus von Gerichts- und Heilsankündigung lesen. Dieses Schema ist sicher nicht ursprünglich, wie auch die Echtheit ganzer Teile des Buches umstritten ist. So gelten die größten Teile der Kapitel 4-7 als sicherlich später, auch in Kapitel 1-3 werden deuteronomistische Überarbeitungen gesehen.
Übersicht über das Michabuch
Gerichtsworte an Juda (1-2)
Heilswort für Jakob (2,12f.)
Gericht über die Führenden (3-5)
Heilsworte (4-5)
Gerichtsworte an Juda (6-7)
Liturgie/Psalm: Hoffnung auf Vergebung (7,8-20)
Inhalt
Inhaltlich ist das Michabuch von einer kompromisslosen Anklage sozialer Missstände bestimmt (wie Amos für das Nordreich). Vor allem geht es wohl um Fragen des Bodenrechts (2,4f.). Die Oberschicht enteignet mit juristisch zwar einwandfreien Mitteln die kleinen Bauern, nimmt ihnen so aber das von Gott her zustehende Erbteil. Micha erwartet das Gericht Gottes über Samaria (?), Juda und Jerusalem, das Kommen JHWHs kann er sich nur als zerstörerisches Werk vorstellen. In besonderer Weise werden in Kapitel 3 die Häupter, Fürsten und Propheten für die missliche Lage verantwortlich gemacht. Sie sollten das Recht kennen, doch sie selbst hassen das Gute und lieben das Böse (3,2).
Wichtige Einzeltexte
Wichtig ist auch bei Micha, wie bei Jesaja, die besondere Bedeutung der Zionsvorstellung. Seine Gegner greifen sie auf mit dem Hinweis „Ist nicht Gott in unserer Mitte? Es kann kein Unglück über uns kommen“ (3,11). Gegen diese Heilssicherheit sagt Micha die Zerstörung an: „Jerusalem wird zum Trümmerhaufen und der Tempelberg zur Waldeshöhe“ (3,12).
Die Kapitel 4-5 stellen dann im Gegensatz dazu den Zion wieder als Heilsgaranten in den Mittelpunkt des Interesses. Die Völker werden zum Zion wallfahren, von dort wird das Friedensreich ausgehen. Kap. 5 weissagt den davididischen Messias aus Bethlehem. Kap. 6 stellt die Forderungen Gottes an sein Volk zusammen; 6,8 fasst dies (wohl später) nochmals zusammen: „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert: nichts als Recht (מִשְׁפָּט, mischpat) zu üben und Gutes zu lieben und einsichtig mit Gott zu wandeln“. Dieser Satz gilt im Judentum als Summe der 613 Gebote der Tora. Das in Kap. 7 zugefügte liturgische Formular geht möglicherweise auf eine besondere Redaktion zurück, die das Buch Micha für exilische Klagefeiern verwendet und überarbeitet hat.
Nahum [נַחוּם], “Trostreich, Tröster”
Das Buch des Propheten Nahum beschäftigt sich in der Hauptsache mit nur einem Thema, der assyrischen Hauptstadt Ninive, deren Untergang es weissagt. Es ist aber nicht zu entscheiden, ob Nahum den Fall der Stadt 612 v. Chr. tatsächlich prophezeit oder bereits selbst erlebt hat. Auch ist strittig, wann die jetzige Komposition des Buches, die erkennbar kultische Gattungen verwendet, entstanden ist, ob im Exil oder nachexilisch. Die Datierung des Buches ist daher kaum möglich.
Inhalt
Inhaltlich stellt das Nahumbuch eine Heilsansage für Juda dar, dies resultiert aus der Unheilsansage für Judas größten Feind, die Assyrer, und ihre Hauptstadt. Das Buch setzt ein mit einem verstümmelten alphabetischen Psalm 1,2-8(11), der Gottes Macht beschreibt und zu einem Heilswort für Israel überleitet. Darauf wird in den Kapiteln 2-3 der Untergang Ninives angekündigt. Der Stadt wird es gehen wie Theben, der Hauptstadt Ägyptens (Name hier No-Amon), die 663 v. Chr. von den Assyrern erobert worden war. Unheilsworte gegen Israel fehlen in diesem Buch völlig.
Wichtige Einzeltexte
Fragmentarisch sind in den drei Kapiteln verschiedene Gattungen und Motive enthalten, neben dem erwähnten alphabetischen Psalm, einem Akrostichon* (vgl. auch Ps 34; 37;119), findet sich in 1,2-6 eine Theophanieschilderung**, vgl. Hab 3,2-19. Kap. 3 hat Elemente von Leichenlied und Totenklage, die übergeordnete Gattung ist die der Völkersprüche, vgl. Am 1-2. Das Buch spielt in Christen- und Judentum keine besondere Rolle, allerdings wurde es in der Gemeinschaft aus Qumran ausführlich kommentiert, wie eine erhaltene Rolle belegt.
* Ein Akrostichon (gr. ἄκρος ákros, “Spitze”, und στίχος stíchos‚ “Vers, ‚Zeile”) ist ein Gedicht (meist in Versform, bei dem die Anfänge von Wort- oder Versfolgen (Buchstaben bei Wortfolgen oder Wörter bei Versfolgen, auch Anfangssilben) hintereinander gelesen einen eigenen Sinn, beispielsweise einen Namen oder einen Satz, ergeben. In der jüdischen Literatur sind Akrosticha weit verbreitet und bereits im Tanach zu finden. Beispiel:
** Theophanie (gr. θεός theos, „Gott“; φαίνεσθαι phainesthai, „sich zeigen, erscheinen“) bedeutet wörtlich übersetzt „Erscheinung eines Gottes eines “, die Manifestierung Gottes in der Menschenwelt oder der Natur. Man kann Theophanie auch als Selbstoffenbarung Gottes in der Natur und der menschlichen Vernunft, genauer gesagt: in der Außen- und der Innenwelt verstehen.
Habakuk [חֲבַקּוּק], “Umarmung” oder der akkadische Name einer Duftpflanze
Das Buch des Habakuk ist ebenfalls gegen eine Großmacht gerichtet, gegen die die Chaldäer (Babylonier) zu Felde ziehen werden. Wahrscheinlich sind auch hier die Assyrer die angesprochenen Gegner. Wenn man die Habakuk-Weissagungen für alte Prophezeiungen halten kann, würde sich daraus als möglicher Zeitpunkt für die Datierung die Zeit um 600 erschließen lassen. Wieder ist der Umfang exilisch-nachexilischer Zufügungen umstritten. Auch das Buch Habakuk ist wohl kultisch verwendet worden.
Wichtige Einzeltexte
Hab 1 setzt ein mit einer Klage des Propheten über die furchtbaren Zustände, die Gewalttaten der Großmacht, gegen die JHWH die Chaldäer entbieten wird. 1,12-17 klagt Habakuk dann aber darüber, dass Gott das eine Übel mit einem noch größeren austreibt, worauf JHWH in 2,1-5 antwortet. Diese Antwort läuft auf V. 4 zu: „ ...der Gerechte wird wegen seiner Festigkeit/Treue [אֱמוּנָה, āmûnâ] Gott gegenüber am Leben bleiben“ (vgl. Jes 7,9). Darin ist eingeschlossen, dass sich auch die Großmacht als gerecht zu erweisen hat, will sie bestehen.
Dieser Vers hat eine besondere Wirkungsgeschichte in Röm 1 und Gal 3, da Paulus in ihm die biblische Belegstelle für seine Rechtfertigungsbotschaft sah. Im Habakuk-Päschär aus Qumran (“Habakuk-Kommentar”, 1QpHab) wurde der Vers demgegenüber auf den Tora-Gehorsam bezogen. 2,6ff. sind dann Weherufe, die unter verschiedenen Blickwinkeln gegen die kommende Großmacht gerichtet sind.
Kap. 3 bietet als Gebet des Propheten einen Theophaniepsalm, durch den das von Gott in 2,1-5 angekündigte Eingreifen beschrieben wird. Dieses Kapitel fehlt in dem Qumran-Kommentar zum Buch, es ist aber nicht zu entscheiden, ob es zufällig weggebrochen ist oder ob der Psalm erst später zugefügt wurde.
Zefanja [צְפַנְיָה], “JHWH hat schützend geborgen”
Der Prophet Zefanja ist in der Zeit um 630 v. Chr. in Juda/Jerusalem aufgetreten. Die von ihm erhaltenen Sprüche setzen voraus, dass es eine Kultreform Joschijas* (vgl. 2.Kön 22-23) noch nicht gegeben hat, daher diese relativ genaue Datierung, die mit der Überschrift 1,1 übereinstimmt. 2,13-15 zeigen zudem, dass das assyrische Reich dem Untergang nahe ist.
Inhalt
Zefanja geht gegen kultische Überfremdung vor (1,4) und gegen die Teilnahmslosigkeit der Bevölkerung, die da sagt: „Der Herr tut weder Gutes noch Böses“ (1,12). Er kündigt den Tag JHWHs als Gerichts- und Zornestag (1,14) an, vgl. 2,3: „Suchet den Herrn, ihr Demütigen alle im Land, die ihr sein Recht tut. Trachtet nach Gerechtigkeit, trachtet nach Demut, vielleicht werdet ihr geborgen am Zornestag des Herrn“. Es mag sein, dass eine so geartete Verkündigung die Akzeptanz für das wenig später begonnene Reformvorhaben des Königs Joschija gesteigert hat. Die für Zefanja charakteristische Forderung nach Demut (3,12f.) entspringt einer Spiritualisierung des Armutsbegriffes; bei den früheren Propheten galten die Armen als dem besonderen Schutz Gottes bedürftig.
Gliederung
Gelegentlich wird 3,1-8 als Vorspann zu den Heilsweissagungen gerechnet, dann ergibt sich das klassische dreiteilige Aufbauschema eines Prophetenbuches. Dies ist sicher Ergebnis späterer Redaktion, wie wohl auch die Heilsworte nicht auf Zefanja selbst zurückzuführen sind. Insbesondere 3,14ff. mit den deutlichen Hinweisen auf die Diasporasituation und ihrer eschatologischen Ausrichtung sind später.
Übersicht über das Zefanjabuch
Gegen Juda und Jerusalem (1,2-2,3)
Gegen Fremdvölker (Gaza, Aschdod, Moab, Äthiopien, Assur u.a.) (2,4-15)
Unheil gegen Jerusalem (3,1-8)
Heilsweissagungen (3,9-20)
* Joschija [יֹאשִׁיָּהוּ Joschijjahu]; gr. Ἰωσίας Iōsías. Geboren um 647, † 609 v. Chr., war von 640 bis 609 v. Chr. König des Südreiches Juda aus der Dynastie der Davididen in der Koenigszeit Israels.
Haggai [חַגַּי], “Der am Festtag geborene”
Haggai, Sacharja und Maleachi gehören zusammen mit den Tritojesaja-Stücken und Joel in die Zeit nach dem Ende des Exils. Von ihnen ist Haggai wohl der älteste; die Datierungen im Buch weisen auf das Jahr 520 v. Chr. Haggai und Sacharja finden in Esr 5,1 Erwähnung als „Propheten... im Namen des Gottes Israels, dem sie zu eigen gehörten“. Das Buch ist nach der Zeit Haggais im Stil einer Geschichtsschreibung entstanden. Die hierbei verwendete Form eines Fremdberichts, in den ältere Stücke des Propheten eingearbeitet wurden, sollte möglicherweise die Autorität erhöhen.
Inhalt
Das Leitthema der beiden Kapitel ist die Frage nach dem Wiederaufbau des Tempels. Haggai geht davon aus, dass der Aufbau notwendig ist, sonst könne die erwartete Wende zur Heilszeit nicht stattfinden: „Steigt hinauf in das Gebirge und schlagt Holz und baut das Haus, dann werde ich Wohlgefallen daran haben und mich in meiner Herrlichkeit zeigen, spricht der Herr“ (1,8). Die Argumentation ist also die, dass es den Israeliten schlecht geht, weil sie den Tempel nicht gebaut haben und nur für sich selbst sorgen. Nach dem Bau des Heiligtums erwartet Haggai eine Völkerwallfahrt zum Zion (vgl. Jes 2 und Mi 4). Tritojesaja, der gegen den Tempelbau eingestellt war, argumentierte demgegenüber, dass der Tempelbau von wahrer Demut und gerechtem Handeln ablenke und zu rein äußerlicher Frömmigkeit führe (Jes 58;66,1-4). Haggai wird als so alt dargestellt, dass er die Herrlichkeit des ersten Tempels noch erlebt habe (2,3), ob dies historisch haltbar ist, muss unklar bleiben. Ebenso ist unbekannt, ob Haggai selbst im Exil war oder in Jerusalem geblieben ist.
Hag 2 spiegelt noch weitere Auseinandersetzungen der nachexilischen Zeit. So geht es in den Versen 10-14 um die Frage, ob Unreine/Unheilige am Tempelbau mithelfen können. Dies verweist auf die Konflikte um die Samaritaner oder um die Problematik der Ehen der Daheimgebliebenen (vgl. Esr 9), die von den wohl rigoristischer gesinnten Heimkehrern angefeindet wurden. Der hier wie in Esra 3-5 angesprochene Serubbabel („Spross Babels“) war als Enkel des vorexilischen Königs Jojachin* (vgl. 1.Chr 3,17) ein Davidide, also ein Träger der Dynastieverheißung. Serubbabel wurde um 520 v. Chr. von den Persern als Statthalter nach Jerusalem gesandt und weckte dort messianische Hoffnungen (vgl. Sach 4,6-10).
Übersicht über das Haggaibuch
Mahnung zum Tempelbau (1,1-15a; 2,15-19)
Die Herrlichkeit des neuen Tempels (1,15b-2,9)
Über die Unheiligen (2,10-14)
Ansage einer Theophanie, die Serubbabels Erwählung bestätigen wird (2,20-23)
* Jojachin [יְהוֹיָכִין], geboren um 616 v. Chr., † nach 560 v. Chr., war König von Juda als Nachfolger seines Vaters Jojakm [יְהֹויָקִים], 634-598 v. Chr.
Sacharja [זְכַרְיָה], “JHWH hat sich erinnert”
Das dem Propheten Sacharja zugeschriebene Buch zerfällt erkennbar in zwei Teile 1-8 und 9-14, wobei sich der zweite wegen der erneuten Einführung in 12,1 nochmals unterteilen lässt. In der Forschung hat sich hier die dem Jesajabuch entlehnte Terminologie „Sacharja, Deutero- und Tritosacharja“ eingebürgert. Sacharja selbst, der in verschiedenen Texten anderer biblischer Bücher erwähnt wird, (vgl. Esr 5,1, Neh 12,16) hat in der Zeit um 518 v. Chr. gewirkt, nur wenig später als Haggai. Die späteren Buchteile sind kaum sicher zu datieren, sie sind in die Zeit der frühen Apokalyptik einzuordnen.
Nachtgeschichte
Wie bereits Haggai erwartet Sacharja das Eintreffen des Heils in allernächster Zeit. Aufschlussreich ist hierfür die Stellungnahme zum Fasten in 7-8: Es muss nicht mehr getrauert werden, da das Heil nahe ist (8,18-19). In den ursprünglich sieben Nachtgesichtern sieht Sacharja die Verfassung der künftigen Heilsgemeinde. Dabei ist besonders wichtig, dass hier eine „Gewaltenteilung“ zwischen dem Hohepriester Jeschua und dem königlichen Serubbabel angestrebt wird (vgl. Kap. 4). Jerusalem wird von allem Bösen gereinigt werden (7. Gesicht), die Völker werden bestraft werden (Fluchrolle, 6. Gesicht). Am Ende findet sich aber auch in Kapitel 8 die Hoffnung, dass die Völker zum Zion kommen werden: „Wir wollen mit euch gehen, denn wir haben gehört, dass Gott mit euch ist“. (8,23)
Engellehre
Ein besonderer Aspekt in der Verkündigung Sacharjas ist die Notwendigkeit für einen Deuteengel (angelus interpres). Der Prophet sieht zwar das Zukünftige, doch in so verschlüsselter Form, dass er nicht allein dazu in der Lage ist, die Vision zu deuten. Dazu bedarf es des Deuteengels, der Sacharja den verborgenen Sinn des Geschauten mitteilt. Damit kündigt sich die Wende von der Prophetie zur Apokalyptik an. Interessant ist auch, dass in Kap. 3 der Satan als Widersacher des Jeschua* vor Gott erscheint, in derselben Funktion begegnet er im Rahmen des Hiobbuches. In der Forschung gilt allerdings dieses 4. Nachtgesicht als spätere Zufügung; auch einige der Zwischenstücke lassen sich kaum auf Sacharja selbst zurückführen.
Deutero-/Tritosacharja
Die Texte der Teile Deutero- und Tritosacharja stammen wohl aus dem 4./3. Jh. Sie sind nicht auf einen oder zwei Verfasser zurückzuführen, sondern stellen eher eine Sammlung von verschiedenen Einzelstücken dar. Inhaltlich knüpfen sie an die Heilsbotschaft Sacharjas für den Zion an, zudem nehmen sie die Gerichtsansagen an die Völker auf. Kap. 9 beginnt mit einer Unheilsansage gegen Jerusalem und spielt möglicherweise auf die Eroberungen Alexanders des Großen an, in Vers 13 ist jedenfalls Griechenland (יָוָן Jawan) erwähnt. Die Umstürzungen des Alexanderzuges ließen die Verfasser wohl auf den nahen Anbruch der Endzeit schließen.
Endzeiterwartung
Kap. 12 zeigt dann aber eine Modifizierung der Endzeiterwartung gegenüber früheren Büchern: Zion/Jerusalem muss durch die Feinde erobert werden, dann erst wird JHWH sie dort endgültig schlagen. Vor der Heilszeit steht also die Notwendigkeit des Leidens. Aus 12,11 „im Felde/Tal Megiddos“ (der Karmel) wurde in der neutestamentlichen Apokalypse (16,16) die Bezeichnung Harmagedon für den Ort der endzeitlichen Schlacht abgeleitet. Kap. 14 endet mit dem Ausblick auf das endgültige Heil in Jerusalem und seinem Tempel.
Rezeption
Auffällig ist, dass die Texte dieser späten Teile des Sacharjabuches sehr intensiv von den urchristlichen Gemeinden dazu benutzt wurden, das in Jesus Christus erlebte Heilsgeschehen zu deuten. So wird der Einzug in Jerusalem auf einem Esel mit der bekannten Stelle in 9,9 zusammengebracht; die Tempelreinigung in Mt 21,12 mit Sach 14,21, wonach es in der Endzeit keine Krämer mehr im Tempel geben wird. Die Klage über den Durchbohrten, 12,10, wird in Joh 19,37 wieder aufgenommen; 11,13 ist der Hintergrund für den Lohn des Judas, 30 Lot Silber.
Die Aussage, dass es von jenen Tagen an keinen prophetischen Geist mehr in Israel gebe (13,2f.), führte im Judentum zu der Ansicht, dass Maleachi (der letzte Prophet in der Reihe des Dodekapropheton) als letzter Prophet in Israel aufgetreten sei.
Übersicht über Sach 1-8
Überschrift und Umkehrruf (1,1-6)
1. Gesicht: Die Reiter vor dem Herrn (1,7-17)
2. Gesicht: Die vier Hörner und die vier Schmiede (2,1-4)
3. Gesicht: Der Mann mit der Messschnur (2,5-9)
Aufruf zur Sammlung am Zion (2,10-17)
4. Gesicht: Der Hohepriester Jeschua (sekundär) (3,1-5)
5. Gesicht: Der Leuchter und die Ölbäume (4,1-5;10b-14)
Wort des Herrn über Serubbabel (4,6-10a)
6. Gesicht: Die fliegende Schriftrolle (5,1-4)
7. Gesicht: Die Frau im Scheffel (5,5-11)
8. Gesicht: Die vier Wagen (6,1-8)
Die goldene Krone des Hohepriesters Jeschua (6,9-15)
Über den wahren Gottesdienst (7,1-14)
Die neue Heilszeit in Jerusalem (8,1-23)
* Jeschua [יְהוֹשֻׁוּעַ], der Sohn des Jozadak, war ca. 515–490 v. Chr. Jerusalemer Hohepriester. In Sacharja 3,1–10 erscheint der Hohepriester in einer der Nachtvisionen des Propheten in einem himmlischen Gericht.
Maleachi [מַלְאָכִי], “Bote JHWS”
Die einem Maleachi zugesprochenen drei Kapitel lesen sich wegen der Einleitung „Ausspruch. Wort des Herrn...“ wie ein weiterer Anhang zum Sacharjabuch (vgl. die gleichlautende Einleitung in Sach 9,1 und 12,1). Auch ist Maleachi wohl nicht als ein Eigenname zu begreifen. Doch das Buch scheint durchaus auf eine Person/eine Gruppe zurückführbar zu sein, so dass es mit Recht getrennt behandelt werden kann. Die angesprochenen Fragen und Probleme der Gemeinde weisen wohl in die Zeit des 5. oder 4. Jh.; das Buch ist vielleicht älter als Sach 9-14.
Inhalt
Auch hier zeigt sich, dass die Prophetie deutlich weiterentwickelt worden ist. Maleachi verwendet als Besonderheit Disputationsworte, die auf eine bestimmte Frage der Gemeinde („Ihr fragt“) eine Antwort JHWHs geben, die der Prophet dann weiter entfaltet. Die angesprochenen Themen sind in 1,2-5 die (unsichtbare) Liebe Gottes, in 1,6-2,9 das Fehlverhalten der Priester, in 2,10-16 die Mischehen- und Ehescheidungsproblematik, in 2,17-3,5 das Problem des Ausbleibens des angesagten Heils. In 3,6-12 wird gesagt, dass die Fruchtbarkeit des Landes von einem geregelten Kultus abhängig sei; 3,13-21 thematisieren die Zweifel daran, dass die Gottlosen wirklich bestraft werden. Die alte Vorstellung vom Tag JHWHs wird hier so umformuliert, dass dies der Tag des Trennens sein wird zwischen den Ungerechten und denen, über denen die „Sonne der Gerechtigkeit“ aufgehen wird (3,20).
Eine wichtige Wirkungsgeschichte hat der später angefügte Abschluss in 3,23f., in dem der Prophet Elija als Wegbereiter des Messias gesehen wird. Dies wird im NT in der Verklärungsszene Mk 9,2-13 aufgenommen. Diese besondere Erwartung rührt daher, dass Elija nach 2.Kön 2 nicht gestorben ist, sondern in den Himmel aufgenommen wurde. Ursprünglich endete das Zwölfprophetenbuch mit dem Verweis auf die Tora des Mose in 3,22.