Wohnhäuser in der alttestamentlichen Zeit hatten viele Formen und Facetten. Die Ausgrabungen in Israel/Palästina und Jordanien zeichnen davon ein buntes und vielgestaltiges Bild.
Der hebräische Begriff für „Haus“ (bajit) kommt über 200-mal im Alten Testament vor. Er findet seine Entsprechungen in vielen semitischen Sprachen und beschreibt grundsätzlich alle Arten von Häusern – angefangen von Palästen (Jer 39,8) und Tempeln (1.Kön 8,13) bis hin zu privaten Wohnhäusern (Ex 12,7; Dtn 6,7) und möglicherweise sogar Zelten (Gen 33,17). Architektonische Informationen in der Bibel wurden maßgeblich durch Ergebnisse archäologischer Ausgrabungen aus der Eisenzeit (1200–520 vC) ergänzt. Dabei ist festzustellen, dass die israelitisch-judäische Welt in keiner Epoche ihrer Kulturgeschichte eigenständige Haustypen geschaffen hat, sondern stets von wechselnden, d.h. ägyptischen, syrisch-kanaanäischen, assyrischen Vorbildern abhängig war.
Da sich das Leben in der südlichen Levante weitgehend im Freien abspielte, konnte der mit Dächern überbaute Hausbereich klein gehalten werden. Auch zwang der geringe zur Verfügung stehende Platz in ummauerten Städten zur Beschränkung. Im äußersten Fall genügte ein zur Nächtigung dienender Raum. In der einfachsten Ausführung bestand dieser aus einer Reisighütte, in die man mit einer Leiter über die Außenmauer gelangen konnte. Die Wände vieler Häuser bestanden oft nur aus übereinandergeschichteten unbehauenen Steinblöcken („Trockenmauern“), deren Zwischenräume mit kleineren Steinen ausgefüllt wurden. Dann wurden die Wände mit Lehm oder einer Kalkmischung verputzt. Mit dem Bleilot war es möglich, die Wände senkrecht zu bauen. Andere Hausmauern wurden aus Lehmziegeln errichtet, die ihrerseits dann auf einem steinernen Fundament und oft auch auf einem niedrigen Steinsockel ruhten. Holzpfähle konnten das Bauwerk stabilisieren. Die aus Steinen bestehende Außenmauer war an der Basis bis zu 80 cm dick.
Eine besonders große Mauerstärke oder auch Treppenaufgänge können auf die Existenz eines Obergeschosses hinweisen. Die Dächer waren üblicherweise mit Reisig und Stroh gedeckt und mit Lehm bestrichen. Auf dem flachen Dach eines Hauses befand sich zuweilen ein Obergemach (als Schlafmöglichkeit und zur Hausarbeit). Der Fußboden bestand im Allgemeinen aus gestampftem Lehm oder war mit Steinen gepflastert. Er wurde mit Strohmatten, in reicher ausgestatteten Häusern auch mit Teppichen belegt. Zumeist gehörte zum Haus ein Hof, in dem man sich tagsüber aufhielt. Hier gab es oft Kochgruben (Herde), Silos und vielfältige handwerkliche Arbeitsmöglichkeiten. Schwellen und Türangelsteine weisen auf die Existenz von Türen hin. Der untere Zapfen drehte sich im Loch eines Angelsteins, der obere war in den Türsturz eingelassen. Manchmal hatte jeder Raum eine eigene Tür; hin und wieder werden Vorhänge diese Funktion im Haus übernommen haben. Fenster (eher kleine Öffnungen) konnten nur selten nachgewiesen werden, da sie sich meist nur in den oberen Etagen befanden.
Bei größeren Gebäuden wandte man eine andere Technik an: Eckpfosten und Türöffnungen repräsentativer Bauten wurden aus behauenen Quadern geschaffen. Künstlerisch herausragend waren die „protoionischen Kapitelle“ der alttestamentlichen Epoche – die heute nicht zu Unrecht die Rückseite der israelischen Fünfschekel-Münze zieren.
Das Vierraumhaus
In der Eisenzeit I und II (1200–520 vC) wurden in den Bergländern dies- und jenseits des Jordan Wohnhäuser mit einem größeren Hof, von dem aus einzelne Räume betreten werden konnten, üblich. Wie kam es dazu, dass man seit dem 13. Jh. vC mehr und mehr solche Häuser baute? War es (mit Yigal Shilo und Shmuel Yeivin) ein ethnisches Unterscheidungsmerkmal, das ehemals halbnomadische Israeliten im Rückgriff auf ihre frühere Zeltbauweise errichteten? – Mitnichten. Die ältesten und besterhaltenen Reste einer spätbronzezeitlich-früheisenzeitlichen Stadt wurden in Tall al-‛Umēri, etwa 10 km südwestlich von Amman, entdeckt – also deutlich außerhalb des israelitischen und judäischen Kerngebietes. Die Bauweise der Vierraumhäuser war daher nicht auf das Gebiet Israels und Judas beschränkt und hatte eine enge Verbindung zur kanaanäischen Epoche. Der Haustyp entstand nicht als nostalgischer Rückgriff auf die Wüste. Er bot vielmehr eine optimale Überlebensstrategie im Klima der südlichen Levante während der recht trockenen alttestamentlichen Epoche.
Die Landwirtschaft in den Bergländern der südlichen Levante war risikoreich. Zuallererst sind die häufig ungenügenden Niederschlagsmengen zu benennen. In aller Regel konnte man daher nur mit einer gemischten Landwirtschaft – also Getreidefeldbau in den Tallagen, Gemüseanbau in Hausnähe, Ölbaumpflanzungen sowie Weinanbau in den Hanglagen – kombiniert mit Jagd, wenn möglich mit Fischfang sowie der weitverbreiteten Viehzucht (insbesondere Schafe und Ziegen) überleben. In vielen Fällen wurde diese Existenzgrundlage durch handwerkliche Tätigkeiten ergänzt. Das Vierraumhaus bietet eine optimale Anpassung an diese Anforderungen, besonders durch die flexible Innenraumgestaltung. Das Vierraumhaus bestand im vorderen Bereich aus drei parallelen Zonen. Hinter diesen war ein Wohn-/Schlafraum quer angeordnet. Der Hauseingang lag meistens in der Mitte der Schmalseite am Hof, seltener an einem Seitenraum. Alle Bereiche des Lebens – nicht allein das Wohnen, Schlafen, Essen und Kinderhüten, – sondern auch das Mahlen, Backen, Kochen, die Bearbeitung von Lebensmitteln und ebenso die handwerklichen Verrichtungen – wurden im Haus vollzogen. Die beiden parallel zum Hof liegenden Räume dienten als Vorrats- und Aufbewahrungsräume, aber auch als Stallung für das Vieh. Sie konnten – genauso wie der quer liegende Raum im hinteren Teil des Hauses – weiter unterteilt werden. In der Nähe der Ställe wurden häufig mit Kieselsteinen gefüllte Sickergruben entdeckt. Der Hof wurde durch Pfeiler, durch massive Mauern oder auch in einer kombinierten Bauweise abgetrennt. Im Wohnbereich wurden an den Deckenbalken hin und wieder Spuren von Putz nachgewiesen. Ein solches Haus bot einer Klein- oder Kernfamilie, d.h. fünf bis sieben Menschen, Raum zum Leben. Möglicherweise sind unmittelbar angrenzende Häuser einer Großfamilie zuzurechnen. Größere Vierraumhäuser finden sich innerhalb einer Stadt häufig an topografisch ausgezeichneten Stellen und sind dann als Verwaltungsgebäude oder als Wohnhäuser höhergestellter Personen zu interpretieren. Zu allen Zeiten gab es Klassenunterschiede. Ein Beispiel für die Trennung von Arm und Reich bietet Tell el-Farah (Nord). In einem Stadtteil fand man Häuser mit massiven Wänden und gepflasterten Innenhöfen. Der Rest der Stadt, durch eine Mauer von dem Bezirk der Wohlhabenden getrennt, bestand aus kleinen, dünnwandigen Häusern ohne Pflasterung der Fußböden. In Tell En-Nasbe (Mizpa) befinden sich die Häuser der Bessergestellten im Osten der Stadt. Denn hier sorgte ein kühler Talwind für ein angenehmes Klima.
[Von: Prof. Dr. Dr. Dr. Dieter Vieweger ist Direktor des Deutschen Evangelischen Institutes für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes Jerusalem und Amman, zugleich Forschungsstelle des Deutschen Archäologischen Instituts.]