Gold von Ofir – das geheimnisvolle Goldland der Bibel
06.11.2024 Handel in der Antiken Welt - Teil 1
Archäologische Goldfunde sind immer spektakulär. Doch woher stammte das Gold in der antiken Levante und wie wurde es gehandelt?
Wer Waren aus dem Ausland einkaufen will, muss dafür im Austausch auch Produkte für den Export haben. Niemand liefert ohne entsprechende Bezahlung . Heute wird dies in der Regel mit Geld abgewickelt. Für Produkte, die man in einem Land verkauft, erhält man Geld, mit dem man in einem anderen Land entsprechende andere Waren erwerben kann. In der Antike war dies viel komplizierter. Wollte ein Händler Olivenöl verkaufen, musste er dafür im Tausch eine andere Ware erhalten. Und selbst wenn man ihn mit Hacksilber bezahlte, musste dieses Hacksilber vorher durch den Verkauf an derer Waren erworben werden. Schiffsbesitzer und Händler, die am internationalen Handel der Städte am Mittelmeer beteiligt waren, mussten für ihre verkauften Waren wieder andere Produkte erhalten, die sie in den nächsten Häfen weiter verkaufen konnten. Das Schiff von Uluburun, das im 14. Jh. vor der türkischen Küste sank, ist ein beredtes Zeugnis für den internationalen Warenaustausch der Antike. Es hatte allein 10 Tonnen Kupferbarren und 1 Tonne Zinnbarren an Bord, aber auch Blauglas, Harz, Ebenholz, Elfenbein, Schmuck, Gold, Silber, Bronzewerkzeuge, Früchte und Waffen. Das Kupfer kam aus Zypern, Schmuck, Glas und ein Skarabäus au Ägypten, Rollsiegel aus Assyrien, Waffen und Keramik aus Mykene, Glas, Harz und vielleicht auch die Früchte sowie Keramik (als Transportbehälter) und Behälter für kosmetische Fette aus dem palästinischen Raum.
Was hatte der Raum der eisenzeitlichen Staaten Israel und Juda als Gegenwert für importierte Waren zu bieten? Dtn 8 zählt die Waren des Landes auf: „Ein Land mit Weizen und Gerste, mit Weinstock, Feigenbaum und Granatapfelbaum, ein Land mit Ölbaum und (Dattel)honig, ein Land, dessen Steine aus Eisen sind, aus dessen Bergen du Erz gewinnst.” Neben den sieben zentralen landwirtschaftlichen Produkten (Weizen, Gerste, Wein, Feigen, Granatäpfel, Olivenöl und Dattelhonig werden Eisen und Kupfer genannt. Eisen ist aber nach heutigen Wissen nur geringfügig vorhanden, Kupfer gibt es im Jordangraben in Timna und Fenan. Hinzu kamen vielleicht noch Stoffe, die von Nomaden hergestellt wurden. Dies sind alles keine hochpreisigen Produkte, die man im großen Stil gegen edle Waren wie Gold, Silber oder Ebenholz eintauschen konnte. Die südliche Levante dürfte daher nie eine beonders handelsaktive Region gewesen sein.
Die schwierige Suche nach den Handelsrouten
Wenden wir uns nun konkreter dem Goldhandel zu. Will man Handelsrouten der Antike rekonstruieren, muss man verschiedenste Dinge berücksichtigen. Die biblischen, aber auch die relevanten außerbiblischen Texte müssen genauestens untersucht und bezüglich ihrer Entstehungszeit datiert werden. Die antiken Texte müssen danach befragt werden, wo es in der Antike entsprechende Vorkommen von Metall gab und wann diese abgebaut wurden. Archäologische Funde müssen gesammelt werden, helfen aber oft nicht sehr viel weiter, weil Metall immer wieder eingeschmolzen und neu verwendet wurde. Bei der Identifikation von Handelsrouten sind gelegentlich auch siedlungsgeschichtliche Befunde für die Bestätigung hilfreich. Im Falle von Gold wird der Befund dadurch erschwert, dass es in der Bibel acht verschiedene Bezeichnungen für dieses Metall gibt, mit – wenn auch nur geringfügig – unterschiedlicher Bedeutung. Der allgemeinste biblische Begriff zahab (זָהָב) findet sich immerhin 385 x im Alten Testament und scheint eine Art Oberbegriff gewesen zu sein. Dieser Terminus wurde für Schmuckgötterfigurinen, Kultgegenstände, Musikinstrumente, Herrschaftszeichen aber auch als Zahlungsmittel und in späten Texten für Münzen verwendet. Dabei fällt auf dass in den frühen Texten der Bibel Gold offenbar weniger wertvoll war als Silber. Erst im 8/7. Jh. v.Chr. ändert sich das. Dank der phönizischen Handelsimporte gab es nun offensichtlich mehr Silber, das aus dem spanischen Tarschisch (Tartessos) in die Levante gebracht wurde. Zuvor war Gold wohl leichter erhältlich als Silber. Andere biblische Begriffe für Gold meinen Nuggets, Goldstaub, Legierungen von Gold mit Kupfer und Silber, dünn geschlagenes Blattgold als Überzug für Statuen der oder dickere Goldbleche aus denen Gefäße hergestellt oder mit denen Kultgerätschaften beschlagen werden konnten. Das Alte Testament nennt drei Herkunftsgebiete von Gold: Ofir, Hawila und Saba. Ofir als Herkunftsland wird in der Folge näher zu diskutieren sein. Hawila lokalisieren einige Forscher zwar an der afrikanischen Ostküste, die Mehrheit favorisiert aber den Süden Saudi-Arabiens. Dort im Bereich des heutigen Jemen muss auch Saba gesucht werden. Dass Ägypten nicht genannt wird, verwundert nur auf den ersten Blick. Zwar stammt ein großer Teil des Goldes, das im 2. Jt. v.Chr. abgebaut wurde, aus den das ägyptische Kernland umgebenden Wüsten, aber die Minen waren offenbar im 1. Jt. v.Chr. nicht mehr aktiv. Man schmolz altes Gold ein der erwarb Gold aus an deren Regionen.
Das sagenumwobene Ofir
Das Goldland Ofir findet sich nicht nur im Alten Testament sondern auch auf einem Ostrakon aus dem 8. Jh. v.Chr. aus Tel Qasile am Nordrand des heutigen Tel Aviv. Auf diesem Ostrakon steht geschrieben „Gold von Ofir für Beth Horon, 30 Schekel“. Beth Horon ist eine antike Ortslage die sich etwa auf halben Weg von Tel Qasile nach Jerusalem befindet. Die Diskussionen wo Ofir zu suchen ist, decken verschiedenste, weit auseinanderliegende, Gebiete ab: Saudi-Arabien, Afrika und sogar Indien. In Indien suchen es schon Flavius Josephus und einige spätere Bibelübersetzungen. Da die Lage des biblischen Ofir um die Zeitenwende nicht mehr benannt war, änderten sie den Namen in Sofir (Sopara), ein Goldabbaugebiet 5 Kilometer von Mumbai in Indien. Dort wurde aber erst ab dem 3. Jh. v.Chr. Gold abgebaut – zu spät für die biblischen Texte. Ohnehin ist die Textänderung nicht sinnvoll zu begründen. Aber auch Afrika, Ägypten und die südlich angrenzenden Gebiete kommen kaum für eine Identifizierung mit Ofir infrage, da dort keine Abbaugebiete aus dem 1. Jt. v.Chr. bekannt sind. Eine Untersuchung der biblischen Texte verweist vielmehr auf die Arabische Halbinsel. In Gen 10,26-30 finden wir in der sogenannten Völkertafel eine Liste von Nachkommen Sems, die wohl alle im Bereich der südlichen saudi-arabischen Halbinsel lokalisiert werden können. Die dortigen Personennamen stehen für Stämme. Manche von ihnen existieren noch heute wobei sich deren Weide- und Lebensräume im Verlauf von Jahrtausenden auch verschoben haben können. In Vers 30 wird dort neben Ofir auch Hawila genannt. Das wiederum kann man mit dem Stamm Haulan identifizieren, dessen Mitglieder heute in der Umgebung von Sa’na leben. Im weiteren Umfeld sind auch die übrigen Stämme von Gen 10,26-30 zu lokalisieren. Ofir wird man daher am besten irgendwo im westlichen Grenzgebiet zwischen Saudi-Arabien und Jemen suchen müssen.
Hierzu passen auch gut die übrigen Bibelstellen die Ofir nun nicht als Personen- oder Stammesnamen sondern als Ort oder Region erstehen. In 1.Kön 9,26-28 (vgl. auch 1.Kön 10,11.22) heißt es „König Salomo baute auch eine Flotte in Ezjon-Geber, das bei Eilat an der Küste des Toten Meeres in Edom liegt. Hiram schickte seine Leute, geübte Seefahrer, mit den Leuten Salomos zu Schiff aus. Sie fuhren nach Ofir, holten von dort 420 Talente Gold und brachten es dem König Salomo“.
Eilat ist mit Tell el-Khuleifeh unmittelbar an der Grenze zwischen Israel (Eilat) und Jordanien (Akaba) nahe des Ufers des Roten Meeres zu identifizieren. Die 2. Schicht eines dort ausgegrabenen Gebäudes stammt aus dem 8./7. Jh. v.Chr. Die ältere Bauschicht lässt sich nicht genau datieren, könnte aber gut aus der Zeit Salomos stammen. Ezon-Geber ist die Insel Jeziret Fara’un rund 15 Kilometer südlich von Eilat. Dort fand man Keramik aus dem 13.–10. Jh. v.Chr. Im 10. Jh. v.Chr. begannen die Phönizier wieder mit ihren Schifffahrtsaktivitäten auf dem Mittelmeer – gut möglich dass sie zeitgleich in einer Kooperation mit Salomo auch auf dem Toten Meer aktiv wurden. 1.Kön 9,26-28 könnte somit reale Wirtschaftsaktivitäten Salomos beschreiben und aus den königlichen Annalen stammen. Mitte des 9. Jh. v.Chr. versuchte König Joschat von Juda noch einmal, Handelsaktivitäten auf dem Roten Meer aufzunehmen, scheiterte aber kläglich (1.Kön 22,49). Dieser Text ist aus zweierlei Gründen interessant. Zum einen belegt er völlig unabhängig von den oft recht legendarischen Texten über Salomo den Handel auf dem Roten Meer. Zum anderen wäre ein solches Scheitern wohl nicht in die Bibel aufgenommen worden, wenn es sich nicht als Notiz in den zeitgenössischen Annalen dieses Königs befunden hätte. Es gibt daher keinen Grund an dem Handel der Judäer im 10. und 9. Jh. v.Chr. auf dem Roten Meer zu zweifeln und Ofir-Gold dürfte mit dem Schiff aus dem Süden der saudi-arabischen Halbinsel geholt worden sein. Nach dem Scheitern Joschats dürfte sich der Handelsweg verlagert haben.
Das Gold aus Ofir, das im 8. Jh. v.Chr. nach Tel Qasile geliefert wurde, kam wohl über Ägypten und dann über das Mittelmeer dorthin. Nach dem Verlust der judäischen Flotte konnten die Ägypter das offenbar lukrative Geschäft des Seehandels auf dem Roten Meer übernehmen. Allerdings gab es zu dieser Zeit noch keine Hafenstädte, weder am Golf von Akaba noch am Golf von Suez. Diese entwickelten sich erst in ptolemäischer Zeit, als der Handel auf dem Roten Meer sich intensivierte. Der Seehandel in diesem Gebiet war gefährlich, was das Scheitern Joschats deutlich zeigt. Zu jener Zeit konnte man noch nicht kreuzen und war deshalb von den Winden abhängig, die jedoch häufig ausblieben und meist nur von Nord nach Süd wehten. Küstennahe Süßwasserquellen waren so rar, dass manche Expedition auf dem Meer verdurstet sein dürfte.
War Ofir ein Handelsplatz?
Möglicherweise lässt sich Ofir noch genauer lokalisieren. Allerdings kommt man nun in den Bereich der Spekulationen, da die saudi-arabische Halbinsel bislang archäologisch weitgehend unerforscht ist. Der arabische Geograph al-Hamdānī (893–nach 951) erwähnt dort Goldvorkommen in Al-Juraiba und zwischen Sa’da und Nagran. Ob dort schon in alttestamentlicher Zeit abgebaut wurde, ist allerdings unklar. Die Fundstätten liegen nur etwas mehr als 100 Kilometer vom Roten Meer entfernt. Dem Festland vorgelagert sind dort die Farasan-Inseln, eine flache aus Kalkstein bestehende Inselgruppe, die teilweise Saudi-Arabien, teilweise dem Jemen gehört. Inschriften aus dem 2. Jh. zeigen, dass es dort die südlichste römische Präfektur gab, wohl um Piraterie zu verhindern, aber auch um den Handel auf dem Roten Meer sicherzustellen. Möglicherweise – dies ist mangels Quellen aber reine Spekulation – kontrollierte der Präfekt auch den Goldabbau und -handel. Der Name Farasan bildet eventuell eine sprachliche Brücke zu Ofir: F sowie R befinden sich in beiden Namen. Die Endung “(s)an” ist eine typische Endung für arabische Orts- oder Regionalnamen. Ofir wäre dann nicht der Abbauplatz des Goldes gewesen, sondern der Ort, an dem judäische Händler dieses Gold erwarben und in den Norden transportierten.
Kommen wir noch einmal auf den Gegenwert für das eingehandelte Gold zurück. Die Landschaft in dieser Region ist karg. Getreide konnte dort gut gegen Gold gehandelt werden und war für die Minenarbeiter wertvoll, denn ihre Arbeitskraft musste in die Minenarbeit investiert werden und stand deshalb nicht für landwirtschaftliche Tätigkeiten zur Verfügung. Getreide aus Juda wäre ein gutes Tauschprodukt für Gold gewesen, so dass sich Juda diesen Goldhandel auch aus eigenen Ressourcen leisten konnte. Und damit gab es wieder Möglichkeiten, andere Waren aus anderen Regionen einzutauschen.